S amstag Abend in einer münsteraner Kneipe. „Hi Marc, hallo Chrstiane“, die üblichen Begrüßungsrituale- man kennt sich. Etwas andere Töne am Nachbartisch. „Was, du bist der Wellenreiter, hallo Traumdeuter, dich hatte ich mir ganz anders vorgestellt?“ Die Gruppe mit den seltsamen Namen kennt sich auch, viele bereits seit über einem Jahr. Gemeinsamkeiten: ein Computer mit Internet-Anschluss und die Vorliebe für den Plausch via Tastatur und Bildschirm. Chatten nennt sich der moderne Zeitvertreib, bei dem Textbotschaften zu den unterschiedlichsten Themen wie Immobilien oder Haarmode ausgetauscht werden. Politik oder Philosophie sind allerdings die Ausnahme der unverbindlichen Online-Runden, meist herrscht der lockere Plauderton, und verborgen hinter einem Phantasienamen (dem sogenannten nick) wird auch munter drauf los geflunkert oder die Süßholzraspel strapaziert.



N icht jeder, der sich auf den Chat einlässt, will seine Anonymität preis geben, wenige lassen sich eher auf ein Internet-Intermezzo als auf eine reale Begegnung mit anderen Online-Plauderern ein. Doch nach Münster reisten Kaufleute und Lehrer von Hamburg oder München aus an, Thema des Stammtisches natürlich der Chat. Dass einige sich im Internet Phantasienamen zugelegt haben, die nicht auf das Geschlecht des Plauderers schließen lassen, hat seinen Grund, „denn oft geht da schon üble Anmache ab.“ Auffallen um jeden Preis, scheint das Motto einiger Angeber zu sein, die die virtuelle mit der realen Welt verwechseln. Nicht immer bleibt es auch beim verbalen Schlagabtausch, denn mit der Verleumdungsklage von zwei Chattern aus dem Rheinland beschäftigen sich inzwischen sogar die Gerichte.


Z u den positiven Aspekten der Internet-Plauderei zählen da eher die Besuche von im Ausland lebenden Deutschen auf den zahlreichen Seiten der Internet-Dienste mit dem Quatsch-Angebot. „Sie halten so den Kontakt zur Heimat und erkundigen sich auch nach dem Wohnungsmarkt, wenn sie wieder zurück nach Deutschland ziehen wollen“, erzählt eine der Teilnehmerinnen beim Treffen in Münster. Als weiterer Pluspunkt werden die Tipps zum Arbeitsmarkt genannt, die vor allem ortsungebundenen Spezialisten weiterhelfen können.
Oft wird das neumodische Hobby von den Angehörigen der Chatter nicht geteilt, wobei nicht einzig die hohe Telefonrechnung als Gegenargument herangezogen wird. „Das grenzt manchmal schon an Realitätsverlust, wenn der Partner den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzt, statt am Wochenende auszugehen.“ Wenig hilfreich sind als Gegenmaßnahmen die Änderung des Passwortes zum Internet durch den Angehörigen, „ein gemeinsamer Besuch beim Psychologen würde da wohl beide eher weiterbringen“.


A uf ein besonderes Wagnis lassen sich die virtuellen Vabanque-Spieler ein, die mehr als unverbindliches Plauder-Abenteur suchen, „aber es hat sie schon gegeben, die richtige Hochzeit von zwei Chattern, die sich über das Internet kennen gelernt haben.“ Gesehen hat dieses Traumpaar außerhalb der Chat-Welt keiner der Münsteraner Chatter, und für Wellenreiter und Traumdeuter steht nach dem ersten realen Treffen im Gegenteil eines fest: sie wollen sich nicht wiedersehen – auch nicht im Internet: „Wir sind halt zu verschieden.“




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